Romanische Sprachgeschichte und Rechtsgeschichte im Mittelalter: Südfrankreich und Spanien im 12. und 13. Jahrhundert

The History of the Romance Languages and the History of Law in the 12th and 13th Century (English abstract)

Für die Rechtshistoriker ist eine der zentralen Fragen der Europäischen Geschichte im 12. und 13. Jahrhundert die des Verhältnisses von lokalen Rechtstraditionen und vereinheitlichender Tendenz durch die sogenannte Rezeption des Römischen Rechts, die auf der Wiederbeschäftigung mit dem v.a. justinianischen Recht in den italienischen Städten beruht. Die Renaissance des Römischen Rechts geht einher mit der Entstehung von universitätsähnlichen Studia (und später von Universitäten); sie konkurriert in den verschiedenen Territorien mit lokalen Rechtstraditionen und verschmilzt teilweise mit ihnen.

Im Hinblick auf die Geschichte der romanischen Sprachen scheint die Rezeption eine wichtige Rolle bei der Elaboration neuer Texttypen zu spielen: die auf römischem Recht basierenden Rechtstexte in den verschiedenen romanischen Sprachen weisen eine andere Gestalt auf als frühere Texte; in ihnen scheinen z.T. neue Techniken der Textplanung und der syntaktischen Integration entwickelt zu werden. Dabei fällt auf der Iberischen Halbinsel die Rezeption weitgehend in den Zeitraum der Verschriftlichung der romanischen Sprachen schlechthin, während in Südfrankreich zum Zeitpunkt der Rezeption bereits (wenn auch zaghaft) ausgebildete romanische Schrifttraditionen bestehen.



For the history of jurisprudence in the 12th and 13th century, a question of central interest is the relationship between local legal traditions and the unifying tendencies due to the renaissance of Roman law. This Renaissance is a movement parallel to the creation of university-like Studia (and, later on, universities) and it leads to a melting of local and Roman law in the different European regions.

The elaboration of certain new textual types in the Romance languages seems to be strictly related to this evolution: the texts based on Roman law written in Romance appear under a different form than former texts; the "new" legal tradition seems to provoque, e.g., new techniques of textual planning and syntactic integration.

It appears to be important that in the Iberian Peninsula, the Renaissance of Roman law is contemporary to the creation of written traditions in Romance, whereas in southern France, this movement meets with already existing and more or less well-established written traditions.



Veröffentlichungen/publications:
"Sobre el nacimiento del castellano desde el espíritu de la oralidad", in: Actas de las V Jornadas Medievales, México, Octubre de 1996, México D.F.: UNAM - El Colegio de México 1999, S. 169-187;
"Von Burgos nach Toledo: altkastilischer Normenkonflikt und Probleme der Rekonstruktion", in: Andreas Wesch und Jenny Brumme (Hrsg.) (1999): Normen und Subnormen in Geschichte und Gegenwart – Methoden ihrer Rekonstruktion und Beschreibung, Wien: Edition Praesens (Schriften zur diachronen Sprachwissenschaft 7);
"¿Cómo investigar las tradiciones discursivas medievales? El ejemplo de los textos jurídicos castellanos", in: Daniel Jacob u. Johannes Kabatek (Hrsg.): Lengua medieval y tradiciones discursivas en la Península Ibérica: descripción gramatical - pragmática histórica - metodología, Frankfurt/Main-Madrid: Vervuert/Iberoamericana 2001 (Lingüística Iberoamericana, 12), S. 97-132;
"Tradiciones discursivas jurídicas y elaboración lingüística en la España medieval", Cahiers de Linguistique Hispanique Médiévale 27 (2004) [2005], S. 249-261;
Die Bolognesische Renaissance und der Ausbau romanischer Sprachen - Juristische Diskurstraditionen und Sprachentwicklung in Südfrankreich und Spanien im 12. und 13. Jahrhundert, Tübingen: Niemeyer (Beihefte zur Zeitschrift für Romanische Philologie 321), 2005.


Einer der bedeutendsten romanischsprachigen Texte für die Renaissance des römischen Rechts ist die provenzalische Summa Lo Codi aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts, die in verschiedenen Handschriften überliefert ist und von der es Übersetzungen in verschiedene Sprachen gibt.

Lo Codi, Handschrift A (Sorbonne 632):



Lateinische Handschrift (M), Bibl. Albi 50, fol. 4r:

Kastilische Handschrift (Ms. 6416 der Biblioteca Nacional de Madrid), fol. 7r:

Altfranzösische Handschrift F (Paris, BN, Ms. fr. 1069) fol. 109r.:


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